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Verleihung St. Leopold Friedenspreis 2023

28.04.2023

Verleihung St. Leopold Friedenspreis 2023

„Einer trage des anderen Last“, so das Motto des zehnten internationalen St. Leopold Friedenspreises. Den Hauptpreis erhielt die Künstlerin Konstanze Trommer. Ulrike Anna Schwartz sowie Ines Schaikowski erhielten je einen Anerkennungspreis.

Der mit 12.000 Euro dotierte internationale Kunstpreis des Stiftes Klosterneuburg zeichnet Kunstwerke aus, die sich kritisch mit humanen und gesellschaftspolitischen Themen auseinandersetzen, er wird alle zwei Jahre vergeben. Passend zum Motto des St. Leopold-Friedenspreises 2023 „Einer trage des anderen Last“ beschäftigt sich dieses Jahr die Ausstellung „Die guten Werke“ mit dem weiten Bereich der christlichen Nächstenliebe. Bei Matthäus (Mt 25, 34-46) greifbar gemacht durch die „Sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit“: Hungernde speisen – Dürstenden zu trinken geben – Nackte bekleiden – Fremde aufnehmen – Kranke besuchen – Gefangene besuchen – Tote begraben.

Versucht man dies auf die heutige Zeit umzulegen, so zeigt sich die große Aktualität des Themas: Spontan assoziiert man Begriffe wie Entwicklungshilfe, Krankenpflege, Obdachlosenfürsorge, Flüchtlingsbetreuung, aber auch die Palliativbewegung, Bestattungswesen etc. Durch Kunstwerke von der Gotik bis heute wird dieses Thema in einen überzeitlichen Zusammenhang gestellt.

Die Werke der Barmherzigkeit sind eine „Begegnungszone Gottes“ und darüber hinaus Ausdruck seines eigenen Wesens. „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25, 40) Die Ausdeutung dieses uralten Satzes haben die Künstler und Künstlerinnen im Jahr 2023 auf sich genommen und es geschafft, ihre jeweilige Interpretation des heurigen Leitmotives gelungen umzusetzen. Die Fachjury hatte aus allen 259 eingereichten Arbeiten 25 Werke ausgewählt und in einem zweiten Schritt daraus die Gewinnerinnen nominiert

Die Preisträgerinnen:

  • Den Hauptpreis erhielt die in Erfurt wirkende Künstlerin Konstanze Trommer für ihr Gemälde „Das Boot“. Die im Stile des Fotorealismus arbeitende Malerin bietet hier eine moderne Allegorie in Gestalt eines modernen Wimmelbildes. Es enthält einen einen sarkastischen Kommentar unserer heutigen Gesellschaft im Angesicht der Klimakatastrophe.
  • Ein Anerkennungspreis ging an die Künstlerin Ulrike Anna Schwartz für ihr ungemein poetisches Objekt mit dem Titel „untragbar“. Das Werk besteht aus einer Dornenkrone und einem Luftkissen, die sich ganz nahe kommen. Würden sie einander berühren, würden die Dornen das Luftkissen zerplatzen lassen. Manche Lasten sind für uns Menschen untragbar.
  • Den zweiten Anerkennungspreis erhielt Ines Schaikowski, aus Wriezen, Brandenburg. Ihr Objekt mit dem Titel „O.T. (Masse)“ besteht aus Strohhalmen, die scheinbar von einer Betonplatte zusammengedrückt  aber nicht zerdrückt werden. Einer trage des anderen Last – Gemeinsam schaffen es selbst so fragile Elemente wie Strohtrinkhalme einen massiven Betondeckel zu tragen.

Ausstellung: 1. Mai – 15. November 2023
Alle 25 Werke sind in der Ausstellung „Die guten Werke“ integriert und zu sehen.

 


Hintergrund Informationen zu den Künstlerinnen und ihren Werken

Hauptpreis: „Das Boot“ von Konstanze Trommer, Erfurt / Thüringen, Deutschland

Das Gemälde „Das Boot”, eine provokante Vision, erscheint gleichsam als buntes Wimmelbild. Froh und sorglos lassen sich die vielgestaltigen Menschen und Tiere in einem kleinen Boot über den heißen Sand ziehen. Die Pole sind abgetaut, es gibt kein Wasser mehr. Trotz der sie umgebenden Wüste werden hintergründige Zeichen des Vergehens nicht zur Kenntnis genommen. Die letzten Voyeure an Bord suchen nach spektakulären Fotomotiven. Die isolierte, mit sich selbst beschäftigte, bunte Gesellschaft wird von einem einzigen sich schindenden Mann gezogen, lediglich unterstützt von einem tierischen Kameraden. Nur die Gestalt des Ziehenden, erhöht durch eine Dornenkrone, scheint zu wissen wohin. Hier trägt nur EINER die Last der anderen. Wird die „Christusfigur” an dieser Stelle durchhalten oder versagen? Mit der Gegenüberstellung beider gesellschaftlicher Positionen tritt das Gemälde Weltzerstörung und Ausbeutung entgegen.

Anerkennungspreis: „Untragbar“ von Ulrike Anna Schwartz, Zernien / Niedersachsen, Deutschland

Das christliche Weltbild hat das Lastentragen seit jeher gefördert und wie selbstverständlich in der abendländischen Kultur verankert. Andere Religionen, wie etwa der Buddhismus, haben durchaus auch die Person und deren Befinden im Fokus, die die Last(en) trägt. Und hier setzt auch die Installation „Untragbar“ an: Sie beleuchtet sozusagen die andere Seite der Medaille mit der Frage, ob dieses Lastentragen auch dann gilt, wenn derjenige, der trägt, dabei selbst verletzt wird oder gar zugrunde geht. Auch und gerade im Kontext eines Preises, der den christlichen Werten verpflichtet ist, hat die Art des gewählten Materials durchaus demonstrativen Charakter: Das obere Kissen besteht aus miteinander verbundenen Aststücken und gesteckten Dornen des Christusdornbaums (botanisch: Gleditschie), der so im Volksmund genannt wird, weil historische Darstellungen die Dornenkrone des gekreuzigten Christus mit eben solchen Dornen zeigen. Dass sie extrem verletzend sind, weiß man von den historischen Kreuzigungsdarstellungen. Konkret ist das auch an diesem Kissen auszumachen. Das untere Kissen ist aus zarten Seidenpapieren geschichtet und über einem Hohlkörper geformt. Würde nur einer der Dornen die zarte Haut des Seidenpapierkissens durchstoßen, so würde das Kissen in sich zusammenfallen und keinen Bestand mehr haben. Das Kisseninnere ist hier zudem leicht mit Füllwatte stabilisiert, um einen längeren Ausstellungszeitraum in dieser Form überdauern zu können, was aber die grundsätzliche Aussage nicht beeinflusst. Das humanitäre Anliegen indes gilt auch hier weiterhin: so geht keineswegs der Blick auf den oder die anderen verloren, aber das eigene Befinden bleibt hier zuallererst gleichermaßen im Fokus.

Anerkennungspreis: „O.T. (Masse)“ von Ines Schaikowski, Wriezen / Brandenburg, Deutschland und Vilafranca de Penedes/Barcelona/Spanien

Mit meinen Arbeiten beobachte ich unsere Beziehung zu Alltagsgegenständen. Die Befragung alltäglicher Gegenstände auf ihr erzählerisches Potenzial und ihre Kraft, Spuren in unserem Denken zu hinterlassen und Identität zu konstruieren, ist ein zentraler Aspekt meiner künstlerischen Praxis. Mich beschäftigt besonders, wie scheinbar Belangloses und Alltägliches in verschiedenen Bereichen unserer Wahrnehmungs- und Handlungsräume eingreifen. Wiederholbarkeit, Minderwertigkeit, Flüchtigkeit, Austauschbarkeit von Dingen, die uns in Fülle umgeben, stehen unserem wachsenden Bedürfnis nach Individualität gegenüber. In meinen Arbeiten versuche ich diesem Spannungsverhältnis nachzuspüren.

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